Erlebbar gemacht wurden alle Facetten dieses symbolischen – und auf den ersten Blick nur aus der Vogelperspektive sichtbaren – Brückenschlags, weil man über den Platz der Republik oder die rechtzeitig zur Eröffnung des Hauptbahnhofs 2006 angelegten Uferwege in das neue Zentrum der Politik gelangt und so die vielgestaltigen Baukörper aus ganz verschiedenen Blickwinkeln sieht. Mit Realisierung der einzelnen Planungsabschnitte der Entwicklungsmaßnahme wurden auch neue Freiräume geschaffen. Dadurch ergab sich etwa die Möglichkeit, bei einem Architekturbummel dem ästhetischen Formenspiel, den Übereinstimmungen in den kreisrunden Einschnitten der hellen Beton- und Glasfassaden von Kanzleramt und Marie-Elisabeth-Lüders-Haus nachzugehen. Diese Korrespondenzen erfordern im Großstadtalltag unscheinbare, aber praktisch durchdachte Wegführungen. So wurde etwa zwischen Hauptbahnhof und Kanzleramt die Gustav-Heinemann-Brücke angelegt: ein massiver, mit Holzbohlen ausgelegter Steg für Fußgänger und Radfahrer, der mit seiner markanten Stahlkonstruktion für wichtige Anschlüsse sorgt zwischen Bahnhof, Wohnquartieren und „Regierungsviertel“.
Durch eine Vielzahl dieser manchmal unscheinbaren Entwicklungsdetails ist aus einstigen Brachen am Grenzstreifen und so mancher früheren „Randlage“ ein pulsierender Stadtteil entstanden, mit ineinander übergehenden Grünflächen und Uferpromenaden für erholungssuchende Berliner und geschichtsträchtigen Partien für historisch interessierte Flaneure.
In der Planungsphase wurden ganz bewusst und soweit wie möglich „Zwischennutzungen“ wie der Bundespressestrand, der Traumstrand oder das Spiegelzelt zugelassen. Brachflächen konnten damit in Anziehungspunkte verwandelt werden, verödete Trümmerareale rückten wieder ins Bewusstsein der Anrainer.
Teilweise sind aus diesen Experimenten und temporären Umwidmungen Erinnerungsorte der jüngsten Geschichte hervorgegangen wie das „Parlament der Bäume“ des Künstlers Ben Wagin.
Erst mit der Entwicklungsmaßnahme wurde der Hausvogteiplatz nach dem historischen Vorbild von 1906 wieder hergestellt, mit Brunnen, Bänken und Bäumen. Um die urbane Vitalität wieder zu gewinnen, wurden noch vorhandene Gebäude restauriert und Baulücken geschlossen. So hat der Platz nun inmitten einer wieder abwechslungsreich gegliederten Stadtstruktur selbst im Windschatten einer Prachtstraße wie Unter den Linden alle Chancen, ein belebtes Gravitationszentrum zu werden – als ernstzunehmendes Pendant zum Gendarmenmarkt.
Mit dem rekonstruierten Brunnen und der neu hinzugekommenen Skulptur des „Denkzeichen Modezentrum Hausvogteiplatz“, das an die ehemaligen jüdischen Modefirmen erinnert, wird Geschichte aktualisiert.
Vor allem aber profitiert dieses Entwicklungsgebiet davon, dass mit schmalen, eng aneinandergeschmiegten Townhouses ein belebendes Gegenüber zum Auswärtigen Amt entstanden ist. Dieses Zentrum der Politik bildet nun die großzügige Kulisse für innerstädtisches Wohnen – und der Hausvogteiplatz wurde zur belebten Kreuzung, zum urbanen Treffpunkt inmitten dieser städtebaulichen Funktionsmischung umgestaltet.
(Jochen Stöckmann)